, LiZ / Desirée Ayer

«Wir Frauen können es genauso»

Andrea Roth ist die erste Vereinspräsidentin des Musikvereins Harmonie Schlieren.

Seit diesem März ist Andrea Roth Vereinspräsidentin der Harmonie Schlieren. Mit ihr übernahm zum ersten Mal in den über 100 Jahren Vereinsgeschichte eine Frau dieses Amt. «Die Aufgabe, den Verein zu vertreten, erfüllt mich mit Stolz», sagt die 46-jährige Bonstetterin.

Die Harmonie Schlieren war bis vor 50 Jahren ein reiner Männerverein. Aktuell ist der Verein mit 29 Männern und 28 Frauen relativ ausgeglichen besetzt. Dass vor ihr noch keine Frau das höchste Amt übernommen hat, hängt gemäss Roth damit zusammen, dass sich Frauen weniger zutrauen.

Der Verein hat sie zum Amt motiviert

«Es hat mich schon gereizt, die erste Frau zu sein», sagt Roth mit einem Lächeln. «Aber ich hatte Respekt vor der Aufgabe.» Denn im Amt müsse man viel gegen aussen kommunizieren, unter anderem mit der Stadt und den Behörden. Doch Roth wollte ihre Komfortzone verlassen. Vom Verein wurde sie dazu motiviert: «Von jung bis alt sind Leute zu mir gekommen und haben mich gefragt: wieso nicht du?»

Nachdem sie auch von ehemaligen Vereinspräsidenten Zuspruch erhalten hatte, entschied sich Roth, die Aufgabe zu übernehmen. Als Präsidentin möchte sie der Harmonie Schlieren etwas zurückgeben. «Ich schätze den Verein sehr», sagt Roth. «Alle machen mit und sind füreinander da.» Der Verein sei eine Konstante in ihrem Leben. So bieten die wöchentlichen Proben neben der Musik auch Platz, um sich auszutauschen.

Frauen seien charmantere Führungskräfte

Roth vermutet, dass sich viele Frauen Führungspositionen nicht zutrauen. «Wir hatten viele Vizepräsidentinnen», sagt sie. «Aber ich glaube, sie hatten lieber die Verantwortung über die Kommunikation im vereinsinternen Bereich. Ich bin mir aber sicher, sie hätten es genauso gekonnt.» Roth findet es schade, dass vielen Frauen das Selbstvertrauen fehlt. «Wir können es genauso», sagt sie, «nur etwas anders.»

Damit meint Roth, dass sich der Führungsstil der Frauen von dem der Männer unterscheidet. «Es gibt strukturierte Führungspersonen und chaotische, aber ich denke, dass Frauen eher sanftere und charmantere Führungskräfte sind und weniger direkt agieren als Männer», sagt sie. Das bedeute aber nicht, dass sie nicht auch einmal ein Machtwort spreche.

Ihr falle es nicht schwer, die volle Aufmerksamkeit vom Verein zu bekommen. Ihr Vereinskollege und langjähriges Mitglied Robert Bickel sagt: «Wenn Andrea auf der Bühne steht und eine Mitteilung verkünden will, muss sie nicht zweimal um Ruhe bitten. Alle im Raum werden sofort ruhig und hören ihr zu. Vorherigen Vereinspräsidenten ist das nicht immer so leichtgefallen, sie mussten sich oft lautstark bemerkbar machen. Das  hat mich persönlich sehr überrascht.»

Sie möchte den Verein musikalisch weiterbringen

Roth hat verschiedene Aufgaben als Vereinspräsidentin. Sie kümmert sich um die Koordination mit dem Vorstand und regelt die Anfragen für Auftritte, wie zum Beispiel für private Anlässe, Feuerwehrübungen, Einweihungen oder Musikfeste. Dabei helfen ihr die Vizepräsidentin und der Vorstand. Roth selbst war lange in der Musikkommission und hat den Verein unter anderem bei den Proben und der Stückauswahl unterstützt.

Als Präsidentin möchte Roth den Verein musikalisch weiterbringen. Dafür möchte sie, dass
die Proben möglichst vollzählig besucht werden. «Wenn immer andere Mitglieder an den Proben teilnehmen, wird der Probe-Prozess verlangsamt», sagt sie. Um die Vereinsmitglieder zu motivieren, spreche sie das Thema immer wieder an, auch um den Mitgliedern zu zeigen, dass der Verein auf sie angewiesen ist.

Roth ist in vielen Themenbereichen die Ansprechpartnerin. Diese Rolle möchte sie auch pflegen. «Vor den Proben gibt es immer Leute, die mich etwas fragen oder mir etwas mitteilen wollen », sagt sie. Das könne sein, dass sie nicht in die nächste Probe kommen, ihren Schlüssel nicht finden oder ganz mit der Musik aufhören wollen. Ihr gefalle es, die Ansprechperson zu sein.

Frauen in der Politik sind ihr Vorbild

Allgemein gefällt Roth ihre Aufgabe als Vereinspräsidentin. Sie übernimmt gerne Verantwortung und steht gerne für ihren Verein ein. «Wenn ich auf der Bühne stehe und vor einem Konzert eine Ansprache halte, bin ich stolz, weil ich weiss, dass mein Verein hinter mir steht», sagt sie.

Roth strahlt ihr Selbstbewusstsein auch aus. Sie wünscht sich, dass sich mehr Frauen Führungspositionen zutrauen. Vorbilder hat sie selbst vor allem in der Politik. «Ich sehe, dass Frauen in der Politik eine immer wichtigere Rolle spielen und sich immer mehr dazu entscheiden, im Rampenlicht zu stehen. » Das inspiriere sie dazu, über ihren Schatten zu springen und weniger an sich zu zweifeln.